13.10.08

Marcel Reich-Ranicki oder klare Kante in Fragen der Qualität

Um es mit Franz Müntefering zu sagen: Der Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki hat bei der Verleihung des Deutschen Fernsehpreises „klare Kante“ gezeigt. Und endlich ausgesprochen, was viele denken, aber sich aus Rücksicht auf die eigene Karriere nicht zu sagen trauen, dass die Vielzahl der Preisverleihungen, mittlerweile auch Awards genannt, nur einem Zweck dienen, nämlich der offenkundigen Selbstbeweihräucherung der Preisverleiher. Die Vielzahl der Preisverleihungen von Bambi über Echo und Grimme-Preis bis zu Goldene Kamera und anderen mehr bringt naturgemäß mit sich, dass die Qualitätskriterien im Sturzflug sinken. Wen wundert es, dass mit „Deutschland sucht den Superstar“ der Preisträger für die beste Unterhaltungssendung im deutschen Fernsehen aus der untersten Schublade gezerrt werden musste. Der Grund: In den Schubladen darüber herrscht gähnende Leere.

„Herr Ranicki hat vor dem Hintergrund seines persönlichen Generationenverständnisses reagiert, bei dem Fernsehen und kulturelle Vermittlung früher eine ganz andere Rolle gespielt haben, als heute“, mit diesen Worten zitiert die Online-Ausgabe der taz das Jurymitglied Miriam Meckel. Liegt da nicht ein Missverständnis vor, das dem hohen Alter Reich-Ranickis geschuldet ist, der stramm auf die 90 zugeht? Qualität, sei es in der Literatur oder im Fernsehen, ist keine Frage des Generationenverständnisses, denn schließlich war früher nicht grundsätzlich alles besser, auch im Fernsehen nicht. Nein, hier hat eine Persönlichkeit mit Urteilskraft und Zivilcourage sinnvollen Gebrauch gemacht von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung vor dem Hintergrund seines persönlichen Verständnisses von Qualität und Menschenwürde. Denn um Letzteres geht es auch.

Lesenswert sind dazu die Fernsehkritiken bei faz.net und taz.de