Länger arbeiten für einen sicheren Arbeitsplatz, zumindest für die nächsten zwei, drei oder vier Jahre. Ja, das muss einem schon etwas wert sein. Verzicht heißt die Parole, genau gesagt: Arbeit zum Nulltarif, ohne Bezahlung also. Weil das recht schnöde klingt, haben sich die Erfinder dieses Spiels eine beschönigende Formulierung ausgedacht: Sie reden nicht von Mehrarbeit ohne Bezahlung sondern von Mehrarbeit ohne Lohnausgleich. Werden Sie noch bezahlt für Ihre Arbeit oder erhalten Sie schon Lohnausgleich? Ein Elch, äh Schelm, wer sich dabei Böses denkt.
18.10.06
Unterschicht, nein danke?
Haben wir ein Sprachproblem in unserem Land? Dürfen Politiker und Journalisten nicht mehr die Verhältnisse so benennen wie sie wirklich sind? Fünf bis sechs Millionen Menschen haben sich geistig und gefühlsmäßig aus dieser Gesellschaft verabschiedet, sehen keine Perspektive mehr für sich. Sie haben keine Arbeit, leben von Hartz IV oder noch weniger, meist fehlt es ihnen auch an Bildung. Schlimm genug. Trostlos und erschreckend. Noch schlimmer allerdings, so scheint es, dass diese Menschen nicht als Unterschicht bezeichnet werden dürfen oder sollen. Die political correctness-Wächter schwingen bereits den Knüppel. Soziologen werfen den Begriff Prekariat in die Runde – weil er so schön wissenschaftlich klingt und dabei letztlich doch nur verharmlosend wirkt. Ebenso verharmlosend wie die Bezeichnung Migranten, unter der sich auch jene Flüchtlinge finden, die aus Not und Verzweiflung ihr Leben riskieren, wenn sie in irrwitzig kleinen Booten von Afrika aus in Richtung Europa aufbrechen.
Zurück zum Sprachproblem: Meine Lieblings-Wochenzeitung DIE ZEIT hat die Lösung parat. Wir könnten die Angehörigen der Unterschicht als „Die Unbenennbaren“ bezeichnen. Dann ist der Weg auch nicht mehr weit zu den Unberührbaren des indischen Kastensystems. Wohlan!