16.8.10

Wetzt Eure Messer!

Gerade komme ich aus Wien zurück. Für mich ist Wien nicht nur eine der grünsten Hauptstädte Europas, sondern auch die Hauptstadt der Freundlich- und Höflichkeit, der Gelassenheit und Toleranz. Alles geht sich aus, wenn man den Anderen respektiert.

Beim Heurigen in Stammersdorf bin ich beim zweiten Glas Wein ins Grübeln gekommen. Weshalb nur will mir der knusprige Schweinsbraten nicht ganz so gut schmecken wie er tatsächlich ist? Nach dem dritten oder vierten Bissen dämmert die Erkenntnis:

Das Messer ist so stumpf, dass es große Mühe bereitet, die krachig-knusprige Kruste (Weingenuss fördert Alliterationen) zu zerteilen. Ein Königreich für ein scharfes Messer! (zum Weiterlesen die Überschrift anklicken!)

Auch so mancher objektiv gute Text kann nicht wirklich gut schmecken, wenn der Leser eine Sehhilfe braucht. Lesen macht mindestens soviel Mühe wie das Zerteilen einer röschen Schweinsbraten-Kruste! Handwerklich gute Typografie steigert den Genuss, weil er ihn erleichtert. Wie ein scharfes Sägemesser. Das beginnt bei der Größe der Schrift und dem Zeilenabstand (ganz einfach) und endet bei der Auswahl der Schriftart (schon schwieriger) sowie der semantischen Typografie (eher anspruchsvoll).

Gemach, gemach! Natürlich respektiere ich die landläufige Meinung, die besagt: Typografische Gestaltung hat mit dem Schreiben von erfolgreichen Texten so wenig zu tun wie die perfekte Zubereitung eines Schweinsbratens mit dem Wetzen der Messer. Beim (Rück-)Blick über den Tellerrand auf den mit Soße bekleckerten Tisch kann man auch zu anderer Einsicht gelangen.

Schani, bringen´s noch a Glaserl Wein, bitt´schön!