18.10.06

Unterschicht, nein danke?

Haben wir ein Sprachproblem in unserem Land? Dürfen Politiker und Journalisten nicht mehr die Verhältnisse so benennen wie sie wirklich sind? Fünf bis sechs Millionen Menschen haben sich geistig und gefühlsmäßig aus dieser Gesellschaft verabschiedet, sehen keine Perspektive mehr für sich. Sie haben keine Arbeit, leben von Hartz IV oder noch weniger, meist fehlt es ihnen auch an Bildung. Schlimm genug. Trostlos und erschreckend. Noch schlimmer allerdings, so scheint es, dass diese Menschen nicht als Unterschicht bezeichnet werden dürfen oder sollen. Die political correctness-Wächter schwingen bereits den Knüppel. Soziologen werfen den Begriff Prekariat in die Runde – weil er so schön wissenschaftlich klingt und dabei letztlich doch nur verharmlosend wirkt. Ebenso verharmlosend wie die Bezeichnung Migranten, unter der sich auch jene Flüchtlinge finden, die aus Not und Verzweiflung ihr Leben riskieren, wenn sie in irrwitzig kleinen Booten von Afrika aus in Richtung Europa aufbrechen.
Zurück zum Sprachproblem: Meine Lieblings-Wochenzeitung DIE ZEIT hat die Lösung parat. Wir könnten die Angehörigen der Unterschicht als „Die Unbenennbaren“ bezeichnen. Dann ist der Weg auch nicht mehr weit zu den Unberührbaren des indischen Kastensystems. Wohlan!

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